anton & nicole

“Familie ist, wo Liebe ist.”

Allerdings sind wir offiziell ein gleichgeschlechtliches Paar – das macht die Sache mit der ‚Familie’ kompliziert.

Anfang August wurde unser Kind Davi geboren. In der Geburtsurkunde ist bei den Eltern bisher aber nur ein Name zu lesen, der Name der „leiblichen“ Mutter. Der Grund dafür ist nämlich, dass ich erst mein eigenes Kind adoptieren muss. „Stiefkindadoption“ heißt diese Prozedur, welche eigentlich für Stiefkinder gedacht ist und somit inhaltlich nicht zu unserem Familienmodell passt. Also durchlaufen wir den vollen Adoptionsprozess, nur nicht als Paar, sondern ich – als „Zusatzperson“, so als wäre ich nicht an der Zeugung des Kindes beteiligt gewesen. Das wird uns nicht gerecht, das fühlt sich verletztend an, denn im Gegenteil – es war es unser Wunsch, Davi zu bekommen.

Mit solchen Ungerechtigkeiten haben wir sogar im Jahre noch 2019 zu kämpfen! Denn leider ist trotz der 2017 beschlossenen „Ehe für alle“ noch keine Besserung hinsichtlich der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare in Sicht: Es wurde schlichtweg versäumt, das Abstammungsrecht dahingehend zu ändern. Das Abstammungsrecht räumt dem Kind das Recht auf einen männlichen Vater ein, sodass nur in einer Hetero-Beziehung eine automatische Vaterschaft des Ehepartners der leiblichen Mutter gegeben ist. Ironisch ist, dass dieser nicht einmal der leibliche Vater oder gar zeugungsfähig sein muss, sondern bloß der Geschlechtseintrag in seiner Geburtsurkunde ist maßgeblich für dieses Recht.

Auf meinen Papieren heiße ich nicht Anton, sondern Anna – das macht die Sache noch komplizierter. Denn damit nach dem Adoptionsverfahren mein korrekter Name in Davis Geburtsurkunde steht, müsste ich erst eine Änderung meines eigenen Geschlechtseintrags in meiner Geburtsurkunde vornehmen lassen. Im Nachhinein kann mein Name in Davis Urkunde nicht mehr geändert werden. Dies dauert nach Transsexuellengesetz bis zu zwei Jahren, erfordert zwei unabhängige psychologische Gutachten und weitere Schikanen. Außerdem ruht das Adoptionsverfahren für diesen Zeitraum.

So kam es, dass ich habe für mich entschieden habe, diesen Weg vorerst nicht zu gehen. Dies bedeutet aber für das Adoptionsverfahren Anna zu sein, Dinge zu verschweigen, sich mit Frau statt Herr und dem immer falschem Pronomen ansprechen zu lassen.

Letztendlich muss ich mich danach richten, wie sich dieser Zwischenschritt auf die entscheidenden Akteure auswirkt. Wie wirke ich auf das Jugendamt und das Familiengericht? Wird man mich als eine verwirrte Person einstufen? Werde ich in ihren Augen keine ausreichende Eignung für die Adoption haben? Kann ich dem Kind wohl kein sicheres, verlässliches Elternteil sein?

„Das prüfen wir schon sehr genau und lassen uns Zeit mit unserer Entscheidung, schließlich ist es eine Entscheidung fürs Leben, die will gut abgewägt sein“, sagte die Frau bei der Adoptionsstelle Rhein-Sieg auf die Frage, wie lange das Verfahren voraussichtlich dauern würde.

„Die Lebensentscheidung wurde getroffen, als wir dieses Kind geplant und gemacht haben“, erwiderte ich. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war so ehrlich zu sein. Das wird erst das Verfahren zeigen. Aber diese Aussage machte mich unglaublich wütend und traurig. Für mein Kind werde ich immer Papa sein, egal wie die rechtliche Lage ist. Davi ist mein Kind – seit dem Abend der Zeugung. Davi hat vielleicht nicht meine Gene, aber dafür all meine Liebe.

Unsere Geschichte ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die gesetzliche Lage an der Lebensrealität vieler Familien vorbeigeht. Menschen, die sich bewusst für ein Kind entscheiden und dabei unwahrscheinlich viel Zeit, Geld und auch Nerven darin investieren, diesen Wunsch zu verwirklichen, unterstelle ich ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Wer dazu bereit ist, all das in Kauf zu nehmen, der weiß was es heißt zu lieben und muss sich trotzdem demütig und dankbar eine offizielle Erlaubnis einzuholen, um für das eigene Kind zu sorgen.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Menschen und unsere Gesetze allen Personen die Freiheit geben zu entscheiden, wer sie sein möchten und wen sie wie lieben. Ich wünsche mir, dass mein Kind unabhängig von Geschlechterrollen aufwachsen und eine individuelle Geschlechtsindentität entwickeln kann. Ich wünsche mir, dass Davi auf viele offene, respektvolle Menschen trifft, welche das Individuum sehen und dessen Background so akzeptieren, wie er ist, ohne Vorurteile und ohne Abwertung. Denn jede Liebe ist gleichermaßen wertvoll, wie auch jede liebevolle Familie.

Meine (heterosexuelle) Frau liebte mich als Anna und liebt mich heute als Anton. Ich wünsche Davi von Herzen später eine*n Partner*in; ebenso bedingungslos liebend wie meine Frau Nicole.

Anton

Anton & Nicole sind ein ursprünglich gleichgeschlechtliches Ehepaar und haben einen langen Weg voller bürokratischer Hürden und Diskriminierung hinter – und vor – sich, um sich den Wunsch eines gemeinsamen Kindes zu erfüllen.