elena & sebastian

#MillionsMissing #YouAreMissing

Millionen Menschen werden vermisst. Millionen Menschen leiden an ME=Myalgischer Enzephalomyelitis, einer schweren Multisystemerkrankung, für die es noch keine medizinische Behandlung gibt und die vom deutschen Gesundheitssystem ignoriert wird. Die Menschen sind zu krank, um am täglichen Leben teilzunehmen und in schweren Fällen komplett bettlägerig. Viele sind gar zu erschöpft, ein Glas Wasser zu halten, sich die Zähne zu putzen oder zu sprechen. Sie liegen hinter verschlossenen Türen, in dunklen Zimmern und das seit Jahren. So auch er, mein Freund. Ich vermisse ihn, in meinem Alltag, in meinem Leben. Jetzt aber unsere Geschichte einmal von vorne:

Drei wunderbare Jahre hatten wir, eine Beziehung wie im Märchen – perfekt. Gibt es das überhaupt? Ja gibt es, ich war mir damals sicher. Wir zogen zusammen in unsere erste gemeinsame Wohnung, bereisten die Welt, hatten uns, wir waren erfüllt. Vorsichtig planten wir unsere gemeinsame Zukunft, wie es wohl weitergehen würde mit uns. Wir hatten die gleichen Wünsche, die gleichen Ziele und Vorstellungen vom Leben. Wir fühlten uns angekommen. Und waren so glücklich.

Plötzlich wurde alles anders, plötzlich wurde er krank. „Ach, das wird bald wieder!“, dachten wir uns. Er ist ja schließlich noch jung, damals keine dreißig. Aber es wurde nicht wieder, es wurde immer schlimmer. Von Tag zu Tag, schlimmer und schlimmer.

Was bedeutete diese Krankheit für unsere Liebe? Wir reden hier nicht von einer Grippe, die verging: Krank hieß in diesem Falle richtig krank. Nach wenigen Wochen im Herbst 2017 wurde er komplett bettlägerig. Nach kleinsten Anstrengungen, wie zum Beispiel schon dem Umdrehen im Bett, erschöpfen alle Muskeln im Körper – dieser ist nicht mehr in der Lage, genug Energie für wichtige Funktionen zu produzieren. Starke Muskelschmerzen, Nervenschmerzen, eine Fehlregulation des autonomen Nervensystems, ein elendiges Krankheitsgefühl sind die Folge. Er kann weder aufstehen, noch sich hinsetzen. Oft muss er stundenlang regungslos liegen bleiben, um die Krankheitssymptome irgendwie auszuhalten. Er kann nicht berührt werden, weil sich seine Haut anfühlt, als wäre sie mit einer Käsereibe bearbeitet worden. Er kann kein Licht ertragen und keine Geräusche. Er ist gefangen im eigenen Körper, der leer ist, immer ohne Energie.

In unserem Leben hat sich dadurch alles verändert. Seit zwei Jahren lebe ich jetzt alleine in unserer gemeinsamen Wohnung. Seine Schuhe stehen noch immer neben der Tür, sein Schreibtisch ist unbenutzt, das Bett neben mir leer. Er wird von seinen Eltern gepflegt. So oft wie möglich bin ich dort. Oft sitze ich auf der Treppe vor seinem Zimmer, höre in die Stille hinein und bin einfach nur da, in der Hoffnung, er spürt die Liebe und Kraft, die ich ihm schicke.

Ganz besonders sind die Momente geworden, wenn ich in sein Zimmer kommen kann und ausnahmsweise seine Hand halten kann.

Auch, wenn wir uns nicht oft sehen können, sich unsere Kommunikation auf ein paar WhatsApp-Nachrichten am Tag beschränkt, wir uns körperlich nicht haben, ist er immer da. Jede Minute in meinem Kopf, in meinem Herzen. Ich bin dankbar für jeden Moment mit ihm, dankbar für jeden Gedanken, den er mit mir teilt, dankbar für jedes Lächeln auf seinen Lippen, dankbar, seine Stimme zu hören, manchmal seine Hand zu halten oder seinen Arm zu berühren.

Oft bin ich hilflos und verzweifelt, manchmal voller Übermut, aber immer voller Liebe.

Wir machen Fehler und machen sie wieder gut. Wir sind traurig und trösten uns gegenseitig. Wir geben einander Halt und vertrauen uns. Wir lenken uns ab und schenken uns Kraft.

Wieso ich das mache? Weil ich ihn liebe.

Ich wünsche mir in der schnelllebigen Zeit von Facebook, Instagram und Co., dass Worte und Taten noch etwas wert sind. „Ich liebe dich“, also lasse ich dich nicht alleine, wenn es schwierig wird oder es dir schlecht geht. „Ich bleibe dir treu“, weil du mir wichtig bist. „Ich suche keinen Ersatz“, denn nicht jeder ist ersetzbar, auch wenn es heute oft so scheint.

Ich wünsche mir Beständigkeit, Treue und Ehrlichkeit.

Ich wünsche mir, dass man einander zuhört, nicht am Gesagten und an Empfindungen des Anderen zweifelt. Glaubt euch.

Beharrt nicht auf eurem Standpunkt, versetzt euch in die Lage des Anderen, respektiert andere Meinungen. Unterstützt einander, so gut ihr eben könnt, seid füreinander da.

Wo es hingeht? Ich weiß es nicht, aber die Liebe wird jeden Tag stärker. Eine gute Freundin sagte einmal zu mir „Omnia vincit amor“ – Die Liebe kann alles schaffen. Daran glaube ich.

Elena

Warum wir mit Elena und einem Paar von Bastis Schuhen an einem Sonntag im September durch Köln gelaufen sind, erfahrt ihr übrigens hier.

Mehr Informationen zur Myalgischer Enzephalomyelitis, sowie die Möglichkeiten zum Unterstützen dieser wichtigen Aktion findet ihr direkt auf der Homepage: millionsmissing.de